Palastverhör – Angerer der Ältere zum 85. Geburtstag

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Palastverhör – Angerer der Ältere zum 85. Geburtstag

Einen 85. Geburtstag zu feiern, bedeutet immer viele Glückwünsche, Besucher mit Geschenken, Erinnerungen austauschen und ein Blick zurück. So geschehen auch in einem Video/Interview, das einen informativen Rückblick über das künstlerische Werk des Künstlers Angerer der Ältere festhält, sowie er zu den Fragen des Kunsthistorikers seine Meinung zu den unterschiedlichsten Themen preis gibt.

Auf Instagram ist dieser Geburtstagsgruß seines Sohnes Christian Angerer veröffentlicht:

ONE OF THE GREATEST ARTISTS TURNS 85.
Happy birthday Angerer the Elder

Angerer the Elder is one of the most versatile artists of this century.

When it comes to fantastic film worlds in the USA, there is no way around Angerer the Elder. With his creative conceptual ideas for „The Neverending Story II“ (production: Warner Bros.), the well-known artist not only won the Bavarian Film Award, but also inspired an audience of millions. His fantastic images are sold worldwide.

His art and products move effortlessly between a world of mad fantasy and the world premiere of J.R.R. Tolkien’s The Hobbit in the theatre. Angerer the Elder was responsible for the sets, creatures and costumes) and the world of the Eternal Centre, Silence, as the master of the final journey. Angerer the Elder also created Michael Ende’s unique tomb, a large bronze book with fabulous creatures in relief and children playing on it.

And much more.

Now for the most important. His charming wife appeared at the spontaneous photo session and helped with everything.

And the most important thing: Angerer the Elder is not just a world-famous artist who took time out on Sunday to do crazy things with his wife in the audience and in the middle of the busy street. They are much, much more. Namely my beloved mother and father. Thank you for everything, both of you.

Birthday Boy @angererderaeltere
Concept, idea, cinematic photography: Christian Angerer @christianangererhuckleberry

Angerer der Ältere Portrait

Angerer der Ältere fotografiert von Christian Angerer

 

Anbei eine Betrachtung von Jonathan Meynrath zu diesem „Palastverhör“.

https://www.youtube.com/watch?v=lRR7X3RnFd4

Ob man die Moderne nun (wie Christian Kracht) bloß ästhetisch oder aber (wie andere)

insgesamt und überhaupt für einen Irrtum hält: für beide Fälle und aus beiden Perspektiven
ist es ein schöner Anblick, wenn eine Künstlergestalt auch innerhalb solcher Irrtümer
unbefangen ihrer Wege geht und christlich-abendländische Traditionslinien fortzieht.

Mit Ludwig Valentin Angerer, Künstlername Angerer der Ältere, Träger mancher französischer Auszeichnung sowie
des Bayerischen Filmpreises, feiert am morgigen Montag eine dieser selten gewordenen
Gestalten ihren 85. Geburtstag. Im ‚Palastverhör‘, untermalt durch zahlreiche Werk-
Einblicke, spricht der Maler und Architekt über Arno Breker und Joseph Ratzinger,
über Einhörner und Demokratie – und darüber, wie er als kleiner Junge von fern
die Bombardierung Münchens erlebte.

Zum 80. Geburtstag von Angerer der Ältere schrieb der Kunsthistoriker Jonas Zehringer (Ausschnitt)

 Unabkürzbarkeit als Humanum

Geboren wird Angerer der Ältere am 07. August 1938 in Bad Reichenhall. Nicht wenigen Sehnsuchtsorten des Berchtesgadener Landes, dem verwunschenen Listsee etwa oder dem sagenumwobenen Untersberg, hat er in seinen Werken Denkmäler gesetzt. Der Vater, Bergführer von Beruf, fällt bald nach der Geburt des ersten Sohnes im Polenfeldzug. Rührend lesen sich Angerers Aufzeichnungen über die polnische Frau, die das Grab des Fremden aus reiner Ehrfucht vor der menschlichen Gottesebenbildlichkeit pflegte. Nur aus dem Osten, so ist der Maler heute überzeugt, könne auch die kulturelle Sonne wieder aufgehen, die ihren Zenit nach seinem Dafürhalten spätestens 1789 überschritt. Regelmäßig empfängt er russische Besucher, erhält Aufträge von orthodoxen Patriarchen und pflegt Freundschaften zu polnischen Künstlern wie Marcin Kolpanowicz. Als Kind ernstlich an den Bronchien erkrankt, findet Angerer nach einjährigem Kur-Aufenthalt auf Norderney zu ausreichend guter Form, um zu einem der besten Mittelstreckenläufer seiner bayrischen Heimat zu werden. Nach dem Schulabschluss schreibt er sich für das Studium der Architektur an der Münchner Akademie der Bildenden Künste ein, wo er der Professorenschaft schon bald – nach dem einstigen Privatarchitekten König Ludwigs I. – als ‚neuer Klenze‘ gilt. Dieser Ruf eilt dem Studenten bis zu Alexander von Branca voraus, der ihn 1967 zu seinem Entwurfsarchitekten macht und an der Konzeption der Neuen Pinakothek beteiligt.

Brancas eigene Kirchenbauten, weitgehend fensterlose Kolosse mit Verblendungen aus Naturstein, zeugen von jenem wehrhaften Katholizismus, dem sich sein früherer Adlatus bis heute verbunden fühlt. Auch Angerers Bekenntnis zur gegenständlichen Malerei speist sich aus christlichem Geist: Weil sich Gott in Gestalt Jesu leibhaft offenbart habe, müsse er geradezu figürlich dargestellt werden. Dieser Auftrag dürfe als Privileg des Christentums gegenüber den anderen abrahamitischen Religionen begriffen werden, denen Jesus als ein Prophet unter vielen gilt, woraus die striktere Befolgung des alttestamentarischen Bildverbotes resultiere. Die Bilder des Schönen, in denen sich das Geheimnis des unsichtbaren Gottes versichtbare, hatte Joseph Ratzinger zur Jahrtausendwende in seiner Schrift über den ‚Geist der Liturgie‘ betont, gehörten fest zum christlichen Kultus. Wer die Konkretion meide, zitiert Angerer Max Liebermann, überspringe das Sinnliche umstandslos zum Übersinnlichen. Doch bleiben luftige Ambitionen ohne handwerkliches Fundament für seine Begriffe Scharlatanerie: Künstler, die sich daran beteiligten, entzögen sich schlicht den Maßstäben der Beurteilung, wie auch moderne Dichter diesen objektiven Kriterien durch Verzicht auf Rhythmus und Reim aus dem Wege zu gehen pflegten. Selbst schreitet Angerer den Weg vom Sinnlichen zum Übersinnlichen stets aufs Neue mühsam aus: Schicht für Schicht bringt er in seinem Atelier zu Klängen von Bach und Mozart mit altmeisterlicher Lasurtechnik auf die Leinwand. Diese kräftezehrende Unabkürzbarkeit ist es, in der Joachim Kaiser das eigentliche Humanum der bildenden Kunst erkannt wissen wollte, in dem ihr Wert und ihre Wahrheit beschlossen liege.

Statt realen Profanierungs- und Auflösungserscheinungen ästhetisch zu sekundieren, sieht Angerer seinen Auftrag darin, eine Gegenwelt zu entwerfen, in der Form und Mythos desto bestimmender werden, je weiter sie in der Lebenswirklichkeit verblassen. Heute, da der Bruch mit aller Tradition in der Malerei seinerseits auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblickt, ist es Angerer vergönnt, in seiner Wiederaufnahme des klassischen Staffelstabes zugleich die Rolle eines Konservativen und jene eines Revolutionärs einnehmen zu dürfen: Indem er sich motivisch wie handwerklich ins festigende Korsett der Überlieferung begibt, befreit er sich vom postmodernen Diktat der Entschränkung. Die Kunst bedürfe der Schranken, hatte bereits Walter Rathenau erklärt und als ihre vornehmste Schranke den „Geschmack des einfachen Volkes“ ausgemacht. Bis heute ist Angerer die intuitive Wertschätzung unverbildeter Laien wichtiger als das vermeintliche Verständnis der Fachkritik. Gerne erzählt er von der prächtigen Wieskirche im südbayrischen Pfaffenwinkel, von der immer wieder kolportiert wurde, sie sei im Zuge der Säkularisierung nur durch den bewaffneten Widerstand ortsansässiger Bauern vor dem Abriss bewahrt worden. Für welche Bauten jüngeren Datums, pflegt Angerer der Ältere dann halb genüsslich, halb verzweifelt zu fragen, würde sich wohl heute das Volk auf den Barrikaden versammeln? Für triste Bauhaus-Quader? Für den groben Klotz, den die Kölner ihre Oper nennen? Oder für das Bundeskanzleramt, das er als ‚Bundeskartenhaus‘ porträtiert hat?

Das Bundeskartenhaus

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